Wenn die Seele nur Ruhe sucht
Ich selbst hatte nie eine Depression. Aber ich kenne die tiefe Erschöpfung – diesen Zustand, in dem der Körper leer ist, der Kopf zu schwer und das Herz still. Eine Erschöpfung, die leicht mit einer Depression verwechselt werden kann.
Ich glaube, das passiert oft. Ärzte machen es sich da manchmal zu leicht. Sie sehen die Müdigkeit, die Antriebslosigkeit, den Rückzug – und nennen es Depression. Aber das ist nicht dasselbe! 
Erschöpfung bedeutet nicht, dass man sich vom Leben verabschieden möchte. Es bedeutet, dass man zu viel gegeben hat – über lange Zeit. Dass die Kräfte aufgebraucht sind, dass man keine Freude mehr empfindet und keinen Sinn mehr sieht in dem, was man gerade tut. Aber tief im Innern spürt man noch: Da ist etwas. Da ist ein Leben, das gelebt werden will.
Eine Depression entsteht anders. Sie kann aus einer Erschöpfung herauswachsen, aber sie geht tiefer. Bei einer Depression verändern sich Prozesse im Gehirn – Botenstoffe geraten aus dem Gleichgewicht, Gefühle verlieren ihre Farbe. Menschen erleben sich selbst wie hinter Glas, ohne Zugang zu dem, was ihnen sonst Halt gibt. Da ist nicht nur Müdigkeit, sondern eine tiefe Traurigkeit, die nicht vergeht, selbst dann nicht, wenn man ruht.
So war es bei mir nicht. Ich war einfach erschöpft – leer, ausgelaugt und ausgebrannt. Ich hatte viel gegeben, viel gearbeitet, viel geleistet – und irgendwann war nichts mehr übrig. Ich stand an einem Punkt, an dem ich wusste: Wenn ich jetzt nicht etwas ändere, verliere ich mich. Und so habe ich meine Existenz –  mein Geld gegen Zeit eingetauscht. Ich wollte wieder atmen können. Wieder spüren, was mir wichtig ist. Zeit haben, um zu träumen, zu leben und um zu schreiben.
Ich bereue es bis heute nicht. Im Gegenteil. Aus dieser Zeit ist viel entstanden – Bücher, Gedanken und Erfahrungen, die ich heute teilen darf. Und all das führt immer wieder zu derselben Erkenntnis: Wir müssen mit uns verbunden bleiben. Mit unseren Träumen – mit unserer Freude.
Denn Erschöpfung ist ein Zeichen – kein Versagen. Sie zeigt uns, dass wir zu lange gegen unser eigenes Tempo gelebt haben. Dass wir zu oft funktioniert und zu selten gefühlt haben. Wenn wir das erkennen, können wir etwas ändern. Wir können langsamer werden, uns neu ausrichten, und  wieder ins Gleichgewicht kommen.
💥Dieser Text ist Teil einer Serie über Depression und seelische Gesundheit, in der ich in den letzten Wochen bereits andere Aspekte beleuchtet habe. Wer nachlesen mag, findet die bisherigen Beiträge hier auf meinem Blog.
Und wer mich noch nicht kennt: Auf meiner Webseite erzähle ich mehr über meinen Weg, meine Bücher und meine Geschichte – und darüber, warum ich glaube, dass Heilung dort beginnt, wo wir uns selbst wieder begegnen.
Manchmal ist das größte Geschenk, das wir uns selbst machen können, nicht Stärke, sondern Ehrlichkeit. Zu sagen: Ich kann gerade nicht mehr. Und das darf so sein!
– Manuela Müller
