Die Stille lag schwer auf der kleinen Berghütte. Der Schnee hatte die Welt in eine weiße Decke gehüllt, die jedes Geräusch verschluckte. Maria saß am knisternden Kamin, eine dampfende Tasse Tee in den Händen. Es war der erste Winter, den sie allein hier oben verbrachte, fernab von der Stadt, den Menschen und dem Lärm.
Sie hatte geglaubt, die Einsamkeit würde sie ängstigen, aber stattdessen empfand sie eine seltsame Ruhe.
Draußen tobte ein Schneesturm, und die Fenster der Hütte zitterten im Wind.
Sie dachte gerade daran, das Licht zu löschen und sich schlafen zu legen, als ein Klopfen an der Tür sie zusammenfahren ließ. Es war ein dumpfer, schwerer Laut, unnatürlich in dieser absoluten Abgeschiedenheit. Wer konnte hier oben unterwegs sein?
Zögernd stand sie auf. Ihre Hand zitterte, als sie den Riegel zurückschob und die Tür öffnete. Ein Mann stand davor, eingehüllt in einen langen, grauen Mantel, der von Schnee bedeckt war. Sein Gesicht war blass, die Lippen bläulich vor Kälte.
„Entschuldigen Sie“, sagte er leise. „Ich habe mich im Sturm verirrt. Kann ich mich für eine Weile aufwärmen?“
Maria nickte, zu überrascht, um zu sprechen. Sie ließ ihn eintreten, und er setzte sich dankbar ans Feuer. Seine Bewegungen waren langsam, fast mechanisch, als hätte die Kälte ihn gelähmt.
„Vielen Dank“, sagte er, nachdem er eine Weile geschwiegen hatte.
„Es ist eine lange Zeit her, dass ich in einer warmen Hütte gesessen habe.“
Maria schenkte ihm Tee ein und musterte ihn aus den Augenwinkeln. Etwas an ihm wirkte fremdartig, ungreifbar. Sein Blick wanderte durch den Raum, als suchte er nach etwas.
„Sind Sie allein hier?“ fragte er schließlich.
Sie nickte, fühlte sich jedoch plötzlich unwohl. „Ja. Ich wollte dem Trubel der Stadt entkommen.“
Er lächelte schwach. „Das kenne ich. Manchmal sehnt man sich nach Stille. Aber die Stille hat ihre eigenen Geheimnisse.“
Sie verstand nicht, was er damit meinte, und wechselte das Thema. Doch als die Stunden vergingen und die Nacht tiefer wurde, spürte sie eine wachsende Unruhe. Der Mann sprach wenig, starrte oft ins Feuer und schien kaum zu blinzeln.
Als der Sturm endlich nachließ, stand er auf. „Vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft“, sagte er und zog seinen Mantel an. „Ich werde jetzt gehen.“
„Aber es ist noch dunkel“, sagte Maria. „Bleiben Sie doch bis zum Morgen.“
Er schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe bereits zu lange verweilt.“
Er trat zur Tür und öffnete sie. Der Schnee glitzerte im Licht des Mondes.
Bevor er hinaustrat, drehte er sich noch einmal um. „Passen Sie auf die Stille auf. Sie birgt mehr, als man denkt.“
Dann war er fort.
Am nächsten Morgen beschloss Maria, die Spuren des Fremden im Schnee zu verfolgen. Doch sie fand keine. Die Fläche vor der Tür war unberührt, als hätte niemand die Hütte je betreten.